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Vajrasattva in „Tibet und Buddhismus“

Rezension Lama Thubten Yeshe: Vajrasattva

„Die negativen Kräfte unseres Körpers, unserer Sprache und unseres Geistes haben sich über zahllose Leben hinweg angesammelt; sie füllen uns an wie ein gigantischer Ozean. Im Gegensatz dazu ist unser winziges bisschen intellektuelles Weisheitswissen schwach wie das Licht einer flackernden Kerze“, sagt Lama Yeshe in dem vorliegenden Buch, um die Schüler von der Notwendigkeit der Reinigungspraxis zu überzeugen. Denn darum geht es bei der tantrischen Meditation von Vajrasattva-Heruka: Sie wird als ein sehr effektives Mittel beschrieben, um den Geist von den zahllosen Hindernissen und negativen Eindrücken zu bereinigen und dadurch den Weg frei zu machen für die Entfaltung von Weisheit und Mitgefühl.

Das Buch enthält einen Kommentar Lama Yeshes zur Vajrasattva-Meditation, der auf mündlichen Erklärungen basiert, sowie Klausuranweisungen, Vorträge, die er zur Vorbereitung der Initiationen in Heruka- Vajrasattva gab, und Ausführungen zum Heruka-Vajrasattva-Tsog. Im Anhang sind die Praxistexte abgedruckt. Aus dieser Aufstellung wird ersichtlich, dass das Buch für diejenigen gedacht ist, die eine Einweihung in das Höchste-Yoga-Tantra genommen haben und den Wunsch verspüren, sich näher mit der Praxis von Vajrasattva zu befassen oder eine dreimonatige Klausur zu machen, was Lama Yeshe von allen verlangte, die an seiner Initiation teilnahmen.

Wer diese Praxis üben möchte, dem bietet das Buch eine wichtige Orientierung, enthält es doch die wesentlichen Punkte: angefangen von der Motivation, Erläuterungen über das Gesetz von Karma über die Zufluchtnahme und Erkenntnis der Leerheit bis hin zu den Anweisungen zur Visualisierung und Mantra-Rezitation. Die „Ratschläge zum Retreat“ eröffnen das Verständnis dafür, warum die Vajrasattva-Praxis so wichtig ist, um Hindernisse für die Meditation und für einen echten Wandel des Geistes zu beseitigen. Passagenweise erscheinen die Erläuterungen etwas langatmig, was auch daran liegt, dass mehrere Unterweisungen zum gleichen Thema aneinandergereiht wurden.

Die Übersetzung von Tom Geist liest sich flüssig und trifft den Esprit von Lama Yeshe. Ob allerdings das Wort „göttliche Würde“ treffend für den Begriff ist, der manchmal mit „göttlichem Stolz“ wiedergegeben wird, ist fraglich. Denn in der Meditation des Gottheiten-Yoga geht es darum, ein sehr starkes Selbstbewusstsein zu erzeugen, die echte Überzeugung, Buddha zu sein, was sich in dem Wort „Würde“ nicht ganz widerspiegelt. Aber das sind Kleinigkeiten. Das Buch ist eine wichtige Hilfe für alle, die sich intensiver mit der Vajrasattva-Praxis beschäftigen möchten und andere, die einen Zugang zu den Methoden des buddhistischen Tantra suchen.“

Birgit Stratmann in Tibet und Buddhismus, Ausgabe 62, Juli / August / September 2002