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Der Weg des sanften Kriegers in „Tibet und Buddhismus“

Rezension Geshe Yeshe Tobden: Der Weg des sanften Kriegers

„Shåntideva (687-763 n. Chr.) schrieb den „Eintritt in das Leben zur Erleuchtung“ (Bodhicaryåvatåra) sozusagen als Leitfaden für Bodhisattva-Lehrlinge. S.H. der Dalai Lama schreibt im Vorwort zu diesem wunderbaren Buch, dass er selbst das Werk mehrfach studiert und Erklärungen dazu gehört hat. Er versichert, dass die im Text enthaltenen Ratschläge zur Entwicklung des Erleuchtungsgeistes auch heute noch nützlich sind. Eigenschaften wie Liebe, Mitgefühl, Großzügigkeit und Geduld zu entwickeln ist nicht nur auf der persönlichen Ebene hilfreich, sondern dient allen Lebewesen.

Den vorliegenden Kommentar zu diesem Måhåyana-Klassiker gab Geshe Yeshe Tobden in Italien kurz vor seinem Tod 1999. Er hinterließ damit einen wahren Dharma-Schatz. Der Dalai Lama bescheinigt Geshe Yeshe Tobden große Gelehrsamkeit und tiefe Erfahrungen, die dieser in jahrelanger einsamer Meditation mit diesen Belehrungen gemacht hat. Bevor Geshe Yeshe Tobden die zu entwickelnden Tugenden eines Bodhisattvas erklärt, gibt er eine kurze Einführung in den Buddhismus. In den dann folgenden acht Kapiteln geht es um die Erzeugung des Erleuchtungsgeistes, das Bekennen negativer Handlungen, Gewissenhaftigkeit, Unterscheidende Aufmerksamkeit, Geduld, Tatkraft und Sammlung. In diese Erklärungen sind eine Vielzahl von weiteren Themen eingewoben. So werden z.B. im Kapitel über Geduld auch „Die Zwölf Glieder des abhängigen Entstehens“ dargelegt. Vers für Vers kommentiert Geshe Yeshe Tobten Shåntidevas Werk. Die Erklärungen sind präzise und von großer Klarheit. Den Übersetzern sei es gedankt, dass sich der Text leicht lesen lässt.

Diese Leichtigkeit setzt sich sogar ins 9. Kapitel über die Weisheit fort, das sich mit der Leerheit von unabhängiger Existenz beschäftigt. Shåntideva führt hier einen Disput über die Weisheit vor, wie ihn ein Pråsangika-Mådhyamika mit Vertretern anderer Schulen auf einem Debattierhof führen würde. Es ist erhellend, faszinierend und stellenweise auch amüsant zu lesen, wie geschickt Shåntideva die Attacken der anderen Schulen mit dem scharfen Schwert der Weisheit pariert und so seinen eigenen Standpunkt verteidigt. Neben der sehr ausführlichen Inhaltsangabe gibt es im Anhang noch eine nützliche Zusammenfassung des 9. Kapitels auf 13 Seiten, mit der man einen Überblick über die verschiedenen philosophischen Schulen gewinnt. Bedauerlicherweise hat der Verlag versäumt, Shåntidevas Grundtext mitzuliefern. Die angegebenen Vers-Nummern beziehen sich offenbar nicht auf den „Eintritt in das Leben zur Erleuchtung“, das in Diederichs Gelber Reihe erschienen, aber leider vergriffen ist. Im Theseus-Verlag ist im Herbst 2004 eine Neu-Übersetzung dieses wichtigen buddhistischen Textes von Shåntideva erscheinen. Eine Besprechung bringen wir in einem der nächsten Hefte.“

Thorsten Grigat in Tibet und Buddhismus,  Januar / Februar / März 2005